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Prozesskostenfinanzierung


1. Welche Vorteile bietet eine Prozessfinanzierung?

Seit etwa 10 Jahren gibt es gewerbliche Prozessfinanzierung/Prozesskostenfinanzierung in Deutschland und Europa. Sie gehört zu den forensischen Dienstleistungen im weitesten Sinne und bietet drei wesentliche Vorteile für den Inhaber einer Forderung. Es findet eine gründliche und professionelle juristische Prüfung der Forderung durch den Prozessfinanzierer statt, in vielen Fällen auch in fachtechnischer Hinsicht. Z.B. werden Privatgutachten zu Beweisfragen, auf die es nach der juristischen Beurteilung des Prozessfinanzierers ankommen dürfte, schon vor Prozessbeginn eingeholt. Der Anspruchsinhaber erhält also eine doppelte Prüfung durch seinen eigenen Anwalt und den Prozessfinanzierer, wobei die Prüfung durch den Prozessfinanzierer noch über diejenige des Anwaltes hinausgehen kann.

Damit aber nicht genug. Der Prozessfinanzierer prüft im Falle bejahter Erfolgsaussichten einer Klage zusätzlich noch die Bonität des Anspruchsgegners. Denn es nutzt das beste Urteil nichts, wenn in der Zwangsvollstreckung bei dem Gegner nichts mehr zu holen ist.

Der wesentliche Vorteil der Prozessfinanzierung ist aber, dass die Prüfungen und die gerichtliche Durchsetzung der Forderung ausschließlich auf Kostenrisiko des Prozessfinanzierers erfolgt. Der Anspruchsinhaber zahlt auch bei verlorenem Prozess nichts. Im Erfolgsfall überlässt er dem Prozessfinanzierer dafür einen Teil der erfolgreich durchgeklagten Forderung, in der Regel 30% bis 50% des Reinerlöses, den der Prozessfinanzierer nach Abzug aller Kosten und der USt tatsächlich vereinnahmt hat.

2. Wer nimmt Prozessfinanzierung in Anspruch?

Prozessfinanzierung ist etwas für Anspruchsinhaber aller Art, Privatpersonen wie Unternehmen, aber auch öffentliche Körperschaften. Sowohl Mandanten, die keine finanziellen Mittel haben, um einen Anspruch gerichtlich durchsetzen zu können, als auch vermögende Mandanten – Privatpersonen und gewerbliche – kommen in Betracht. Der finanzschwache Mandant wird die Prozessfinanzierung häufig als letztes Mittel wählen, wenn er weder rechtsschutzversichert ist noch Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen kann. Der finanziell starke Mandant, hier insbesondere auch Unternehmen, wählen Prozesskostenfinanzierung, um ihre Liquidität zu schonen und Rückstellungen für Drohverluste in ihren Jahresabschlüssen zu vermeiden. Die Interessenlage bei diesen Mandanten ist ähnlich wie beim Leasing von Anlagevermögen.

Schwerer haben es Rechtsanwälte, die ihre Honorarforderungen gegen Mandanten einklagen wollen. Sie dürfen mangels Einverständnis des Mandanten ihre Honorarforderungen nach der Rechtsprechung des BGH an Prozessfinanzierer nicht abtreten, weil dieses gegen ihre Verpflichtung zur anwaltlichen Verschwiegenheit verstößt. Die Abtretung wäre gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar und zivilrechtlich gemäß § 134 BGB nichtig.

3. Welche Rechtsgebiete kommen für eine Prozessfinanzierung in Betracht?
Nach einer Umfrage aus dem Jahr 2004 erreichen die meisten Anfragen die Prozessfinanzierer auf den Gebieten des Kapitalanlagerechts sowie des Architekten- und Ingenieurhonorarrechts. In dritter Linie werden Fälle aus dem Arzthaftungsrecht, Erbrecht, Gesellschaftsrecht, Werkvertragsrecht, allgemeines Haftpflichtrecht, Immobilienrecht, Kaufvertragsrecht, Versicherungsrecht, Forderungen einer Insolvenzmasse angefragt. Die tatsächlich durchgeführten Finanzierungen lagen bei etwa 12% der Anfragen und entsprechen diesen in ihrer Zusammensetzung.

Zusätzliche Schwierigkeiten bei der Prozessfinanzierung bereiten Klagen aus den Bereichen des Arzthaftungs- und des privaten Baurechts, weil hier verstärkt Beweisschwierigkeiten und Kausalitätsprobleme auftreten. Sehr informativ ist zu diesen Fragen ein Aufsatz von Siebert/Nagata, „Prozessfinanzierung – Etabliertes Institut auf dem Rechtsmarkt?“, abgedruckt in BRAK-Mitteilungen 2/07, S. 49 ff.

4. Welche Art von Forderungen wird finanziert?
90% aller finanzierten Prozesse betreffen Zahlungsansprüche, dabei wiederum überwiegen die Ansprüche auf Zahlung einer Einzelforderung. Aber auch Prozesse über wiederkehrende Leistungen, wie z.B. Renten, werden finanziert. Reine Feststellungsklagen oder etwa gesellschaftsrechtliche Beschlussanfechtungsklagen eignen sich für eine Prozessfinanzierung im Grunde nicht, können aber auch durchaus denkbar Gegenstand einer Prozessfinanzierung sein.

Juristisch ist die – den Nachfrager aber zunächst wenig interessierende – Frage nach der Rechtsnatur des Prozessfinanzierungsvertrages immer noch nicht geklärt. Informativ ist hierzu ein Urteil des Landgerichts Bonn, abgedruckt in NJW-RR 2007, 132 = AnwBl 06, 851. Während die herrschende Ansicht in der juristischen Literatur in dem Prozessfinanzierungsvertrag eine stille Innengesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen dem Forderungsinhaber und dem Finanzierungsunternehmen sieht, begründet das Landgericht Bonn und ihm folgend die Berufungsinstanz OLG Köln im Urteil vom 29.11.2007, NJW 08, 589 überzeugend, dass es sich nicht um ein Gesellschaftsverhältnis, sondern um ein partiarisches Rechtsverhältnis und deshalb einen Austauschvertrag handelt. Höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es noch nicht. Für die Praxis der Prozessfinanzierung bedeutet dieses, dass alle möglichen Fragen in umfassenden Prozessfinanzierungsverträgen individual geregelt werden sollten. Alle Prozessfinanzierer legen ihren Finanzierungsverträgen deshalb ein umfangreiches Regelwerk zugrunde.

5. Durchsetzung der Forderung
Die geprüfte Forderung kann auf zwei Wegen durchgesetzt werden. Entweder klagt der Forderungsinhaber in eigenem Namen mit eigenem Anwalt, aber in Abstimmung und auf Kosten des Prozessfinanzierers, oder er tritt seine Forderung an den Prozessfinanzierer ab, der sie dann im eigenen Namen, auf eigenes Kostenrisiko und mit eigenem Anwalt durchprozessiert. Nach Erfolg des Prozesses wird dem Forderungsinhaber der vereinbarte Anteil auskehrt. In beiden Fällen ist eine Zusammenarbeit mit dem Anwalt des Vertrauens des Forderungsinhabers möglich. Es zeichnet sich sogar die Tendenz ab, dass Prozessfinanzierer eher mit den Vertrauensanwälten des Mandanten zusammenarbeiten, als selbst Anwälte zu empfehlen, obwohl sie auch diese Leistung anbieten. In jedem Falle unterstützen die Prozessfinanzierer aber die Prozessführung durch die beauftragten Prozessanwälte durch ihre Rechtsabteilungen oder eigene Anwälte oder (pensionierte) Richter, die sie beschäftigen.
Gleichwohl sind gewisse Vorbehalte der deutschen Anwaltschaft spürbar, mit Prozessfinanzierern zusammenzuarbeiten und ihre Mandanten auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Dabei wird in der juristischen Literatur sogar eine anwaltliche Beratungspflicht zum Hinweis auf eine mögliche Prozessfinanzierung angenommen. Der unterlassene Hinweis auf das Kostenrisiko, die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe, die Beteiligung einer Rechtsschutzversicherung oder auch die Prozessfinanzierung soll für den Anwalt auch haftungsrechtlich relevant sein können (so z.B. Buschbeil, AnwBl 06, 825). Solche Scheu der deutschen Rechtsanwälte wäre hingegen unbegründet. Denn die Bedürfnisse der Anwaltschaft und der Prozessfinanzierer decken sich weitgehend. Viele Prozessfinanzierer zahlen den Anwälten Extra-Gebühren für ihre anwaltliche Leistung bei der Beratung über die Prozessfinanzierung. Bei Durchführung einer Finanzierung kann der Anwalt die Honorare für das Prozessverfahren vereinnahmen, was ihm bei Unterbleiben des Prozesses mangels Liquidität nicht möglich wäre.

6. Fazit
Mit der notwendigen Sorgfalt angewendet, bietet die Prozessfinanzierung eine interessante Möglichkeit für viele Nachfrager auf den verschiedensten Rechtsgebieten, bei der am Ende, wenn alles gut geht, eine Triple-Win-Situation für Forderungsinhaber, Prozessfinanzierer und Anwalt entstehen kann. Geht es schief, verliert allein der Finanzierer.

Stuttgart, den 10.06.2008

Dr. Bruno Caspar

Der Autor war von 1978 bis 2014 Rechtsanwalt in Stuttgart. Er arbeitete jahrelang mit der TKL Forensische Dienstleistungen GmbH, Stuttgart, zusammen, die außer Prozessfinanzierung auch noch weitere Dienstleistungen im Umfeld der Forensik anbot.